Sonntag, 26. August 2012

Zeitarbeit in Pflege - und Altenheimen

In größeren Städten ist es schon seit Jahren Realität, ländliche Regionen sind noch eher weniger betroffen.


Zeitarbeit in der Pflege.

"Hier fühlen Sie sich Zuhause!"

"Bei uns steht ihre Würde an erster Stelle"

"Mensch ist hier noch Mensch"

So oder so ähnlich werben ausnahmslos alle Altenpflegeheime in ihren Hochglanzprospekten, die überall in den Einrichtungen herumliegen. Alles leere Phrasen. Stellen Sie sich vor, Sie werden beinahe jeden Tag von fremden Personen geweckt, die Ihrer Sprache teilweise nicht einmal mächtig sind.
"Hallo, ich XXX, Sie aufstehen jetzt, ich waschen", wobei dies aufgrund der eigenen Vorstellung noch ein erstrebenswerter Weckvorgang ist. Fühlen Sie sich dort Zuhause?

Chronisch unterbesetzt, teilweise unterqualifiziert, emotionslos - Alltag in deutschen Einrichtungen der Seniorenverwahrung für Mittelstand und Unterschicht. 2 Pflegekräfte auf 20, 30 zu Pflegende sind Normalität und kein Einzelfall.

Die Senioren spüren das, sie fühlen sich abgefertigt, Kapitalanlage Gammelfleisch, welches es zu bearbeiten gilt um es möglichst lange am zahlen zu erhalten. Am besten in Pflegestufe 3 = kann nix, will aber auch nix, zahlt am meisten. Das Pflegestufe 3 für den Betroffenen absolut scheiße und nicht wünschenswert ist, interessiert niemanden. Sie habe alle nur Dollarzeichen und den Feierabend in Kopf. Auch ich erwische mich oft bei dem Gedanken an Feierabend oder dem Gedanken, an den bevorstehenden Geldeingang (scheiß Gruppenzwangkapitalismus).

Wenn man als Zeitarbeiter das erste Mal in eine Einrichtung kommt um z.B. einen Frühdienst abzuleisten bekommt man in vielen Fällen einen Laufzettel in die Hand gedrückt auf dem die Bewohner stehen, die man zu versorgen hat. Auf diesem Laufzettel stehen sporadische Infos über den Menschen, der sich hinter einer der weißen Türen befindet, die sich in den Einrichtungen zu Hauf finden lassen. "Sitzt im Rollstuhl", "Muss gelagert werden (Lagern: Das Drehen eines Menschen im Bett, der dazu selbst nicht mehr imstande ist, Körperpartien werden zur Druckgeschwürvorbeugung mit Kissen abgepolstert)", diese und weitere Floskeln sollen den Zeitarbeiter dann dazu befähigen ganzheitliche, menschenorientierte, individuelle Pflege zu leisten. Je nach Einrichtung und dem Pflegeaufwand der zu versorgenden Menschen können auf diesem Zettel durchaus 10, 15 in Einzelfällen auch mehr Namen stehen, die man innerhalb einer Schicht pflegerisch zu versorgen und zu betreuen hat. Dabei weiß man noch nicht einmal wo der (unentbehrliche) Pflegewagen steht, die Handschuhe oder die Handtücher liegen und überhaupt was da los ist, da steht man schon alleine im Flur, ganz nach dem Motto "Nun mach mal".

Dazu kommt der eklatante Pflegekräftemangel in vielen Großstädten wie Hamburg, Berlin, Frankfurt. Der Kampf um die Arbeitskraft hat begonnen, d.h. aber auch, dass jeder als Pflegehelfer eingestellt wird, der weiß wie man eine Hose richtig herum anzieht. Wenn man dazu noch für den Mindestlohn von 8,51 € (brutto natürlich) arbeiten muss, wie bei den allermeisten Zeitarbeitsfirmen und auch bei einigen privaten Heimbetreibern der Fall, ist man nur für andere da und wird gleichzeitig ausgebeutet und verbraucht. Darunter leidet die Qualität der Pflege in hohem Maße. Doch nicht nur für die Menschen, die in den Einrichtungen den Rest ihres Daseins fristen müssen, ist Zeitarbeit ein Problem.

Wie in anderen Bereichen der Zeitarbeit auch (Industrie, Handwerk) bekommen auch die Zeitarbeiter in der Pflege für gleiche Arbeit (eher ist es für sie noch wesentlich schwieriger, da sie die Menschen, die sie zu pflegen haben, ja nicht kennen), in aller Regel weniger Geld, als die festangestellten Pflegekräfte. Sie müssen flexibler sein, sie kriegen z.B. erst am Morgen bescheid, wo sie am Nachmittag arbeiten müssen, bei vielen Zeitarbeitsfirmen läuft es mit der Bezahlung nicht immer 100 % (Zuschläge werden einfach nicht bezahlt usw.).

Selbst Wohlfahrtsorganisationen wie die Caritas, die AWO, die Diakonie arbeiten in Ballungszentren regelmäßig mit Zeitarbeitsfirmen zusammen und das obwohl ein Großteil der Bevölkerung diese moderne Form der Sklavenhaltung mißbilligt.

Zeitarbeit als Sprung in den ersten Arbeitsmarkt? Gerade in der Pflege ist davon ja auszugehen, doch da wurde die Rechnung ohne den Wirt gemacht, denn Zeitarbeitsfirmen verlangen "Vermittlungsprovisionen" bei Übernahme in die Stammbelegschaft der Einrichtung und das sind locker mal 10 - 15 % des Bruttojahresgehaltes, selbst wenn der Zeitarbeiter vorher kündigt, gekündigt wird, wie auch immer und dann in die Stammbelegschaft einer Einrichtung wechselt, in die er vorher entliehen wurde, hat die Zeitarbeitsfirma das Recht diese Ablösesumme einzufordern, auch noch bis zu 12 Monate im Nachhinein, auch wenn der Arbeitnehmer nur einen einzigen Tag entliehen wurde und nicht nur das: Sogar andere Einrichtungen des gleichen Trägers, müssen diese Provision zahlen, auch wenn das jeweilige Haus, den Zeitarbeiter noch nie bei sich arbeiten ließ, die gleiche Trägerschaft reicht aus, denn die Zahlung dieser fragwürdigen Ablösesumme, ist vertraglich vereinbart und zwar nicht in dem Arbeitsvertrag zwischen Zeitarbeitsfirma und Zeitarbeit, sondern in dem "Verleihvertrag" zwischen Zeitarbeitsfirma und Einrichtung, die Zeitarbeiter ausleiht. Allein ein Altenpflegehelfer mit einem Jahresbruttoeinkommen von nur 19200 €, kann somit die Einrichtung, die ihn übernehmen möchte, 2500 € kosten, diese Ablösesummen sind für viele Einrichtungen natürlich ein Hindernis, Leute, die sie entliehen haben fest anzustellen und die Zeitarbeitsfirmen verhindern somit einen Mitarbeiterabgang um selbst weiter an ihnen verdienen zu können.

Zeitarbeit in der Pflege der Generation einzusetzen, vor der wir eigentlich am meisten Respekt haben müssten, ist ein Wagnis. Die Frage die sich mir stellt ist: Kann eine bei einer Zeitarbeitsfirma beschäftigte Pflegekraft Tag für Tag qualitativ hochwertige und menschenwürdige Pflege leisten, wenn sie selbst unter einem unwürdigem Arbeitsvertrag schuftet, viel zu wenig Lohn und beinahe gar keine Anerkennung bekommt. Wenn sie Angst hat sich krank zu melden, aufgrund drohender Kündigung oder Gehaltseinbussen. Sie nie irgendwo "ankommt" und so etwas wie "vertrautes Verhältnis" zu den ihr anvertrauten Menschen aufbauen kann.

Sie kann - aber wie lange?


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