Donnerstag, 17. November 2011

Zwei

Blumen hab` ich ihr gepflückt, rote, blaue, gelbe, lila`ne, orange`ne, in allen Farbtönen hab´ ich ihr Blumen gepflückt. Stundenlang, bei Sonnenschein und lauem Spätsommerwind, als ich meinen Hund spazieren führte und meine Gedanken von bedingungsloser Reue ihr gegenüber beherscht waren. Aufgrund der morgendlichen Ereignisse zwischen uns beiden. Verschiedenste Blumen habe ich gefunden, am nahe gelegenen Kanal, in einem kleinem Wäldchen und wie einst Max und Moritz konnt ich es mir nicht verkneifen und stahl auch manch` prächt`ge Blüten aus schlecht behüteten Gärten um sie damit zu erfreuen, ihr damit ein Lächeln in ihr Gesicht zu zaubern. Die Namen der Blumen sind mir gänzlich unbekannt, sie spielen auch keine Rolle mehr, wenn man die Schönheit und Einzigartigkeit jeder Blüte betrachtet. Gebunden hab` ich die Blumen mit etwas stabilem Band und abgeschnitten unten an den Stielen hab` ich sie, fein säuberlich, mit einer scharfen Bastelschere, damit er gut aussah, mein reumütiger Blumenstrauß. Hübsch anzusehen war er schon das muss ich zugeben, längst jedoch nicht so hübsch wie das Antlitz von ihr. Ihre langen, glatten kastanienbraunen Haare, die so gut passten zu ihren tiefen kastanienbraunen Augen und ihren niedlichen Sommersproßen, die im Sommer immer ein klein wenig größer wurden. Ihr war das peinlich - mir nicht. Eine kleine Karte mit einem selbstgeschriebenen Vers noch an dem Blumenstrauß befestigt und fertig war sie. Die Entschuldigung für sie. Die Beruhigung für mein Gewissen.
Mein Gesicht strahlte engelsgleich, als ihr Haustürschlüssel in das alte Zylinderschlüssel rastete, sich drehte und sie knarrend die schwere Tür öffnete. Sie sah mich an, ihre Trauer für mich klar und deutlich in ihren wunderschönen, kastanienbraunen Augen zu erkennen. Verängstigt und verwirrt schmiß sie ihre Tasche hin, gleich neben meinem hübsch gebundenen Blumenstrauß auf den Boden des Hausflures, ohne den Blumenstrauß eines Blickes zu würdigen. Vor wenigen Monaten, ja vor Wochen noch, konnten wir nicht voneinander lassen. Nun schubste sie mich beiseit`. Sie brachte Umzugskartons einer bekannten Windelvertriebsfirma mit, so drei bis vier Stück, dazu noch ihre Mutter und sie fing an, ihre Sachen zu packen.
Chaos. In mir brach alles zusammen und ich verkroch mich in unser, nein, in mein Wohnzimmer, schloss die Türe und erstarrte. Musik. Zigarette. Geräusche und Gerede aus dem Schlafzimmer von ihr und ihrer Mutter. Kein klarer Gedanke war für mich fassbar, nur ein unabläßlicher Druck in meinem Brustkorb. Mein Hund sitzt auf dem Sofa und schaut zu mir herüber, mein bester Freund und Begleiter. Eine treue, naive Seele, in totaler Abhängigkeit von meinem Wohlwollen. Ich musste hier raus, sofort, meinem Hund die Leine angelegt und los. Mit vorsichtigem Schritt schlich ich durch den Flur an ihrer Tasche und dem Blumenstrauß vorbei und blieb ungehört von ihnen. Während in meinem Kopf ein Erbeben in nie dagewesener Form tobte und meine Gedanken damit begannen, mich in ihre unheilvollen Abgründe zu ziehen, verstaute sie ihren Teil unseres Lebens in ihre drei bis vier Pappkartons der bekannten Windelvertriebsfirma unter der höhnischen Bestätigung ihrer Mutter und ihrer eigenen Unsicherheit sich selbst und ihren Taten gegenüber.
Draussen. Endlich. Mein Hund, wie immer natürlich, in stetiger, freudiger, schwanzwedelnder Erwartung dessen was er dort erschnüffeln und markieren konnte, welch` Hundefreund er treffen könnte und toben könnte, als gäbe es nicht`s anderes auf dieser Welt.
In Unwissenheit darüber, welch` innerliche Zerissenheit seine zwei menschliche Gefährten just in diesem Moment plagte. In solchen Augenblicken wäre ich gerne mein Hund, diese Unbeschwertheit mit der er sein Leben zu genießen vermag kann ein hochentwickeltes Wesen wie den Menschen ab und zu nur neidisch machen. Meine Musik im Ohr, hämmernde, melancholische Bässe, Töne, Stimmen und Melodien entführen meine von Chaos unterwanderte Seele in eine Art Rhytmus, ja in eine Art Tanz der nicht greifbaren Gedanken. Weit bin ich gelaufen, teilnahmslos versunken, stundenlang und doch nur endlich weit. Ewig können wir nicht laufen. Blumen hab` ich ihr nun nicht mehr gepflückt, obwohl meine Gedanken von bedingungsloser Reue geplagt waren. Es regnete nun und der derbe Wind schlug mir unaufhörlich in mein ungeschütztes Gesicht. Aus dem gnädigen Spätsommer wurde in kurzer Zeit ein erbarmungsloser Herbstanfang. Mit den ersten verfärbten Blättern der vom Sturm gerüttelten Baumkronen verflog all die Sinnhaftigkeit meines Lebens und war zur Sinnlosigkeit geworden. Mit den Blättern die umher wehten und mit ihr und ihren drei bis vier mit Erinnerungen vollgestopften Kartons einer bekannten Windelvertriebsfirma ist die Sinnhaftigkeit gegangen. Plötzlich bemerkte und spürte ich die Endlichkeit und Vergänglichkeit aller Dinge für den einzelnen Menschen, wie den nass kalten Wind, der Kerben in mein Gesicht wehte und mich zeichnete, wie sie mich zeichnete, für mein mir verbliebenes Leben.
Die Vergänglichkeit der Jugend, der Schönheit, des Lebens, der Liebe schoss mir in den Kopf, wehren konnte ich mich nicht dagegen, nur mein vierbeiniger Freund lenkte mich durch seine stürmisch, liebevolle Freude anderen Passanten gegenüber zwischenzeitlich etwas ab.
Langsam bewegt die Sonne sich am Horizont hinab, bald wird sie verschwinden, wie sie auch verschwunden ist, aus der Wohnung, aus meinem Leben, aus unserer Welt, nur den reumütigen Blumenstrauß hat sie zurück gelassen - und mich.
Als die Sonne heut´ Morgen begann unser Schlafzimmer zu erhellen, vergaß sie dabei wohl mein Gemüt sanftmütig zu wecken. Als das Leben der Welt sich einem neuen Tag stellte, immer die Hoffnung hegend, es würde Tag werden. Greuel, Zorn und Wut packten mich noch ehe ich mir meiner überhaupt bewust war. Der Wecker schellte unaufhörlich zu viel zu früher Stund`. Falsch eingestellt - in meinen schlafdurchtränkten, zornigen Augen - durch sie. Angeschrien` hab` ich sie, viel zu laut und bösartig ohne richt`gen Grund in - ihren kastanienbraunen, verängstigten Augen. Den Wecker hab ich mit ganzer Kraft gegen die Wand gekloppt, sie nicht. Nicht mit der Hand. Mit Worten zerfetzte ich ihre kleine Seele und ihr grosses Herz in Stücke und bohrte grausam mit einem Drillingshaken in ihrer unendlichen Liebe zu mir herum, bis sie schließlich unter letztem Stöhnen und nach Luft ringen aufgab und dabei war zu verenden - ihre endliche Liebe zu mir.
Mein Gesicht wütete, teufelsgleich, als sie noch halb verschlafen zu weinen anfing und mein Geschrei ihr Innerstes durchdrang. Ihre riesigen Kullertränen tropften aus ihren kastanienbraunen Augen, sie liefen über ihr kastanienbraunes Haar auf ihr weiches Kopfkissen und sie konnt` kaum begreifen wir ihr geschah, sie zitterte und versuchte sich unter der Bettdecke zu verstecken. Auch ich begriff nicht, was mit mir geschah, ich brüllte herum, schaltete das Licht an und sprang aufgeregt herum wie vom Fürsten der Dunkelheit besessen. Wir sahen uns an, der Augenblick in kurzer Stille, in dem ihre Liebe zu mir starb.
Gleich dem Wecker, war sie in unzählige Stücke zerbrochen - unreparierbar. Völlig egal wieviel Geld, Mühe, Geschicklichkeit oder Blumen man hineinsteckt - unreparierbar. Ein Trümmerhaufen. Chaos. In meinem, in ihrem Kopf. Begriffen hab` ich nicht`s von alledem und fuhr zur Arbeit, wie sie auch. Abgelenkt durch stundenlanges tun, dachte ich in meiner Unvernunft, verziehen wäre der Morgen und mein schreckliches Gehabe durch sie und ihre liebevolle Seele. Da hab` ich mich getäuscht. Die Realität nicht gesehen oder nicht sehen wollen, denn ihrerseits war es dieser eine letzte Tropfen, der dem "Uns" ein Ende bereitete.
Ein paar Tage später sah ich sie. Draussen, sie mit ihrem, ich mit meinem Hund, sie erschrak und ihr Unwohlsein war bis in meine eigene Brust zu spüren. Wir liefen aufeinander zu, den Kopf gesenkt zu Boden blickend. Sie aus Angst und ich aus Scham so trauten wir uns kaum uns anzuschauen.
"Ja, liebst Du mich denn nicht mehr?" mit zitternder, demütiger Stimme fragte ich sie, ohne den Mut zu besitzen zu ihr aufzuschauen, mir ihrer Antwort ungewiss und die leise Hoffnung hegend, sie würde verzeihen.
"Liebe. Ich liebe Dich! Hass. Ich hasse Dich. Denn Du hast zwei Gesichter, in einem finde ich Geborgenheit, Sicherheit, Vertrauen, die Liebe. In dem anderen finde ich Wut, Verzweifelung, Unsteuerbarkeit, den Hass."
Eine ganze Zeit noch lag der Blumenstrauß im Flur, er verlor schnell seinen Glanz und die Blüten welkten mit jedem Tag dahin. Mein Hund trat auf ihm herum und schleuderte ihn gegen die weiß gestrichenen Wände. Den hübschen Blumenstrauß, der alles retten sollte.
Sie wird wieder weinen, doch nicht mehr um mich.
Ich werde wieder Blumen pflücken, doch nicht mehr für sie.
Plözlich wurde sie mir wieder bewust, die Unendlichkeit der Dinge.
Der Jugend, der Schönheit, des Lebens, der Liebe

4 Kommentare:

  1. ich denke du löscht mein kommentar sowieso, genau wie die anderen auch. aber ich möchte, dass du weißt, dass mir beim mehrmaligen durchlesen echt die tränen gekommen sind. es ändert zwar nichts an der situation, aber das alles geht auch nicht so an mir vorbei. der morgen war einfach nur krass .. und es ist total schade um uns, dass es so kommen musste. hmmm, naja.. so sollte es wohl alles kommen ..

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  2. achja, und du hast recht! ich werde wieder weinen, nicht um dich und du wirst wieder blumen pflücken, nur nicht für mich! aber auch du wirst wieder weinen, nur nicht um mich !

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  3. und das Du die Geschichte hleich weiter leiten musstet finde ich naja, der Volksmund würde KACKE sagen.

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  4. Ne, ich lass Deine Kommentare stehe, nur das von Mr. "ich reiß Dir den Kopf" nicht - er oder sie hat nämlich die Geschichte nicht kapiert und von Lyrik keine Ahnung, ich werde mit dieser Geschichte an einem Literatur-Wettbewerb teilnehmen. Die Geschichte ist gerade heraus und beschönigt nicht`s, aber was für Verständnis sollt ich auch von Deinen voreingenommen Freunden erwarten...

    "aber auch du wirst wieder weinen, nur nicht um mich!"

    Ich weine seid MONATEN um Dich und wegen Dir. Seid Monaten...

    "und es ist total schade um uns, dass es so kommen musste. hmmm, naja.. so sollte es wohl alles kommen .."

    so`nen Schwachsinn hab ich lang nicht mehr gelesen. Dann komm mal einen Zentimeter auf mich zu und wir ändern das. Der jetzige Zustand ist nicht alleine mir zu verdanken!

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