Samstag, 26. November 2011

Der Ausgetoßene

Starke, fröstelnde, sein dünnes, verfilztes, rostbraunes Fell durchdringende Böen pfeifen durch die ärmlich erhellten Häuserschluchten der schneedurchtränkten, totgeweihten Stadt. Müde ist er, abgewetzt die steifen Pfoten, wundgetreten im tiefen, kalten, leblosen, rostbraunen Schnee, vergeblich nach Halt suchend, wie auch er vergeblich nach Halt sucht, schmerzunempfendlich geworden sind seine Pfoten und er im Laufe seines langen Weges, schon weit gelaufen ist er durch den tiefen, kalten, leblosen, rostbraunen Schnee immer seinem Schatten folgend.
Sein Magen ist hohl, seid Tagen nicht mehr gefüllt, versucht er grummelnd sich Gehör zu verschaffen, doch bleibt er ungehört durch die ihn übertönenden traurig-kreischenden Böen, die viel zu laut tosend ihn begleiten.
Sein Geist hingegen überschwemmt mit Erinnerungen aus längst vergangenen, stolzen, sonnendurchtränkten Tagen.
Er schleppt sich Schritt für Schritt voran, umherschauend mit letzter Kraft, spähend mit zugekniffenen Augen nach etwas Schutz, ein wenig Wärme und vielleicht etwas Essbarem oder auch nach - Zuversicht. Eine Ecke ohne Zugluft würde ihm schon reichen, ihm dem Ausgemerzten, dem Einsamen, sich etwas ausruhen, eine Zeit lang schlafen. Träumen nicht von seiner Zukunft - von seiner Vergangenheit.
Gezeichnet ist sein Gesicht durch geschlagene Schlachten. Sein rechtes Auge erblindet, durchzogen ist es, von einer groben Narbe, die er sich im Kampf zugezogen hatte. Sein rechtes Ohr zerfetzt, zerlegt im Wahn durch die hemmungslosen Klauen seiner Feinde, so zeugt sein Ausdruck von der Unerbittlichkeit seines Schicksals. Unter einer stählernen Feuertreppe findet er Zuflucht, etwas mehr oder weniger, er dreht sich einige Male umher, schaut kurz in den fröstelnden Wind und kneift die Augen zusammen. Er schnaubt etwas als er zu Boden in den rostbraunen Schnee fällt und damit beginnt sich den eben diesen Schnee aus dem Fell, und seine wundgelaufenen, schmerzunempfindlich gewordenen, steifen Pfoten zu lecken. Seine einst so feuchte und gewitzte Nase, ausgetrocknet, in der ewigen Kälte durch die er zu gehen gezwungen, kaum noch fähig ist sie, Nahrung zu erspüren um sein Lebenslicht trotz der ewigen Kälte brennend, ja zumindest glühend zu halten. Nach außen dringt der Schein seines Lichtes nicht mehr. Früher, ja früher, war es funkelnd zu erkennen in seinen stechenden Augen, kurz bevor seine anvisierte Beute seiner blitzähnlichen Schnelligkeit erlag. Heute wäre er froh gewesen, eine kränkliche Ratte erfolgreich zu Fall bringen um sich an ihrem Kadaver erlaben zu können. Sein ausgedünntes und verfilztes, rostbraunes Fell schützt ihn kaum mehr noch vor der Unerbittlichkeit der eiskalten Nacht. Es fällt ihm schwer sich Wärme zu spenden und er sehnt sich zurück, in die sonnendurchtränkte Vergangenheit. Er rollt sich ein und versucht seine Nase schützend in seine rostbraunen, gefrorenen Fellspitzen zu stecken. Begleitet durch die bitterbösen Töne der pfeifenden, starken, fröstelnden, sein Fell durchdringenden Böen liegt er kauernd, ja zitternd unter der stählernen Feuertreppe in dieser schneedurchtränkten, totgeweihten Stadt. Seine Augen schließen sich und wieder zieht es ihn in die lächelnde Vergangenheit. Sein Lebenslicht. Es verstummen die Böen, er zittert nicht mehr.

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