Mittwoch, 2. Februar 2011

Demenz

Mein ganzes Wissen, dass ich mir hab erworben
es verlieren zu können behagt mir nicht
Mein Gesicht nicht zu erkennen
welches Leben steht dahinter
ich hab verlernt freunde zu benennen
ganz allein im düstren Winter

Meine erste große Liebe
mein erstes selbstverdientes Geld
der schönste Tag meines Lebens
alle Versuche des Erinnern blieben hoffnungslos vergebens

Wie war doch gleich mein Name
wo war noch die Toilette
und wie verdammt nochmal
nutzt man eigentlich die Treppe

Ich schaue in den Spiegel und erkenn mich nicht
ich laufe seid geraumer Zeit durch einen Tunnel
doch am Ende ist kein Licht
diese ganzen Falten und die abgenutzte Haut
bin das wirklich ich?
Ich war so erschrocken
und habs im ersten Moment nicht geglaubt

Mein Geist verlässt mich Stück für Stück
jeden Tag ein bißchen mehr nur mein alter Körper bleibt zurück
nicht fähig zu handeln, zu denken, zu entscheiden
von all dem was ich war, wird kaum was übrig bleiben

Ich will nicht vergessen
und in Scheibchen Abschied von mir nehmen
so völlig ohne Selbstwahrnehmunh
das ist doch kein Leben

War ich einmal gut oder eher schlecht?
war ich richtig nett oder eher ungerecht?
war ich stets zu Scherzen aufgelegt?
Hab ich vielleicht sogar mal etwas bewegt?
Wer bin ich, wie habt ihr mich genannt?
War ich ein guter Mensch oder gehör ich an die Wand?

Ich will mich nicht vergessen
und aus Schnabeltassen essen
nur weil ich mit Besteck nichts anfangen kann
ich möchte nur noch schlafen
ich bin ein gebrochener Mann!

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