Mittwoch, 22. Dezember 2010

Azubi sein ist kein Zuckerschlecken - Altenpflege 2010

Ich arbeite in einem Beruf, der einem einiges abverlangt. Wochenend- und Feiertagsdienst, ohne Zulagen, im Schichtmodus, so geht es Tag für Tag entweder frühst um 5:30 Uhr oder gegen 12:15 aus dem Haus, meine Arbeitsstelle ist 10  Fahrradminuten entfernt und befindet sich in unmittlbarer City Nähe.
Ich bin im 3. Ausbildungsjahr zum ex. Altenpfleger und arbeite in einem Pflegeheim eines privaten Trägers rund 180 Std. im Monat, mein netto Ausbildungsgehalt beträgt rund 450,- €, dazu kommen 100,- € Berufsausbildungsbeihilfe und 50,- € von meinen Eltern, das muss reichen um meinen Dalmatiner "Lucky" und mich über die Runden zu bringen.


Zwischendurch muss ich (noch) die Schulbank drücken, die Ausbildung läuft in hiesigen Gefilden in einem Blocksystem, 4 Wochen Schule, 4 Wochen Arbeit usw, während der Schulferienzeit natürlich arbeiten, in den Schulblöcken am Wochenende oftmals auch, obwohl dies gegen die Ausbildungsrichtlinien verstößt. So dümpel ich denn mit ca 600 ,- € monatlich durch die Gegend, zahl Miete, Telefon und Strom, esse Nudeln, rauche billigen Tabak und gehe nicht zum Arzt, da die Praxisgebühr und Medikamente meinen finanziellen Rahmen diesen Monat sprengen würden, es ist ja auch Weihnachten. Klar könnte ich mich befreien lassen, es ist jedoch beschämend und erniedrigend was Ämter von einem verangen, damit einem Unterstützung gewährt wird, obwohl man in Arbeit steht und einen Job ausübt, der jeden Mal betreffen kann. Ich frage mich ob die Beamten sich nicht wünschen im Falle der pflegebedürftigkeit liebevoll von gut genährtern und glücklichen Pflegekräften betreut zu werden, statt frustriertem am sozialen Abgrund stehenden Pflegepersonal zu begegnen, das genau weiß was ein Heimplatz im Monat kostet und sich zurecht fragt "Wo bleibt eigentlich das ganze Geld".
So ist es aber nicht, ich bin nich frustriert, sondern ehrgeizig und mit Herz dabei, auch die Schwestern und Pfleger haben meitens ein Lächeln und aufbauende Worte für die im Heim lebenden und arbeitenden Menschen übrig, als ihren schlechten Kontostand. In der Altenpflege ist es auch nicht überall gleichermaßen "beschissen" bezahlt, es gelten eigentlich sogar Tarifverträge, 3 anwendbare, an die sich auch private Träger zumindest anlehnen müssten. Ich müsste wesentlich mehr verdienen ;-)
1. Ausbildungsjahr: 729 Euro
2. Ausbildungsjahr: 788 Euro
3. Ausbildungsjahr: 884 Euro nach dem Tarifvertrag TvÖD
Ein Mädchen aus meiner Klasse, mit den gleichen Arbeitszeiten, den gleichen Stundenzahlen, einfach mit der gleichen Ausbildung hat ein Dezembergehalt 2010 von 1262,- € gehabt. Sie erhielt ein 13. Monatsgehalt, Wochenend- und Feiertagszulagen und sogar Nachtzulagen, jeweils 30 min. pro Spätdienst, da dieser in die Nacht hineingeht. Sie erhielt also das dreifache Gehalt.
Das ist irgendwie recht deprimierend und anstrengend, am unteren Ende der Nahrungskette zu stehen, während man täglich anderen qualitativ hochwertige Nahrung reicht und zudem das Übriggebliebene der abendlichen Brotlaibe und Wurstplatten wegschmeißen muss, aus hygienischen Gründen natürlich. Mir selber ein Brot schmieren, oder mit den Senioren mittag essen, darf ich auf der Arbeit nicht. Kaffee, Tee und Wasser darf das Personal sich nehmen, der sogenannte "Schweineeimer" ein 10 Liter Eimer in dem Übriggebliebenes vorerst entsorgt wird, wird 2x am Tag gelehrt. Die Heime werben in hochglanz Prospekten mit Phrasen wie "bei uns stehen die Bewohner im Mittelpunkt" "eine den Bedürnissen und Ressourcen des Einzelnen angepasste aktivierende und unterstützende die Selbstständigkeit erhaltende Pflege blabla" "zufriedenes hochmotiviertes Team" - die Wirklichkeit: Unterbezahlt, Bürokratie ohne Ende, Länger bleiben und Überstunden werden voraus gesetzt, plötzliches unerwartetes Einspringen ohne Chance auf "Nein" sagen, hohe Verantwortung und psychische Belastungen.


Das ist aber nich immer und überall so.
Ich arbeite gerne in meiner Einrichtung, die dort lebenden Menschen fühlen sich wohl und lachen mehr als manch ein jugendlicher "Gangster", es ist eine sehr emotionale erfreuende und manchmal traurige Zusammenarbeit mit Menschen dessen Werteverständniss ein anderes ist, als das heutige, diese Arbeit tut mir gut und sie ist wichtig für meine Entwicklung, auch unter und vorallem wegen der widrigen Umstände unter denen diese Ausbildung stattfindet. So werde ich denn meine Weihnachtsgeschenke ein weiteres Jahr auf selbste geschriebene Gedichte und Geschichten beschränken und sie verspätet in die Hände meiner Nächsten reichen, da ich die Feiertage mit hochaltrigen, liebevollen Menschen verbringen darf, für 2,25 ,- € die Stunde, aber ich darf euch abschließend dazu sagen: "Ich würde es auch umsonst machen".


Ich bin stolz Altenpfleger zu sein!

2 Kommentare:

  1. Ein toller Artikel und eine ebenso tolle Sichtweise. Sei ruhig stolz auf deinen Beruf. Leider wird die Verantwortung in der Alten udn Krankenpflege nur viel zu wenig finanziell honoriert.

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  2. Von einem Skinhead/Altenpfleger:

    Geniess die Zeit in der Dir Dein Beruf noch Spass macht und Du einen Sinn drin siehst - denn glaub mir eins, das bleibt nicht so.

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